Zettelkram
Zu unserer Verteidigung muss ich sagen, dass wir versucht haben im Vorhinein alle nötigen Informationen zu beschaffen um die Bürokratie rund um eine Geburt problemlos abzuwickeln. Scheinbar haben wir das aber nicht gründlich genug getan.
Bekannt war, dass ein Mensch nicht durch seine Geburt existiert, sondern durch sein Papier zur Identifizierung. Also wollten wir auch bei unserem dritten Kind den Weg der Legalisierung und Existenz aus staatlicher Sicht gehen. Davon abgesehen hätten wir ja niemals mehr gemeinsam reisen können, wenn an den Landesgrenzen unser Kind zwar nicht existiert hätte, es aber dennoch nicht als Handgepäck durchgegangen wäre.
Da wir eine Hausgeburt geplant hatten lag die Befürchtung nahe, dass das Baby in unserem Haushalt eventuell von offizieller Stelle nicht als unser Kind akzeptiert werden würde, vor allem wenn dadurch die gesamte Familie eine permanente Aufenthaltsgenehmigung bekommt.
Daher war unser erster Schritt die Schwangerschaft von einem Arzt bestätigen zu lassen. Ich wollte kein Ultraschall machen, aber das fachmännische Auge des freundlichen Doktors erkannte angand des Bauches im siebten Monat dennoch eine Schwangerschaft. Um 500 pesos (ca 25 Euro) erleichtert, aber mit dem Papier in der Hand ließ er mich ziehen, nicht ohne eindringlich aufzuzählen welche Untersuchungen er mir dennoch empfehlen würde. In Mexiko bin ich aber als zahlender Kunde in einer Position, wo einem wenn man will das Ablehen leichter fällt als wenn jedes Argument mit „das zahlt die Kasse“ untermalt wird.
Für unsere Residencia Permanente fragten wir noch vor der Geburt bei unserer Immigrationshelferin an, was sie von uns benötigt und bekamen eine übersichtliche Aufzählung.
Die Geburt lief dann wunderbar unbürokratisch ab, ich hatte ja nicht einmal einen Mutterpass.
Zwei Tage später kam dann ein freundlicher Kinderarzt aus Playa del Carmen zu uns nach Hause um sich das Baby anzuschauen und die essentielle Geburtsbestätigung auszustellen. Hier handelt es sich primär um ein Dokument, in dem steht, dass ich die Mutter des in Mexiko geborenen Kindes bin. Nicht einmal der Name des Kindes steht dort drauf. Der Arzt hatte jedenfalls keinen Zweifel daran, dass es sich bei dem Kind um meines handelt, es kurz vorher geboren wurde und ich damit nicht heimlich über die Grenze gekommen bin, nur um mir die Permanente zu sichern. Hätte ja sein können, in dem Fall wäre die Schwangerschaftsbestätigung zum Einsatz gekommen und im Zusammenhang mit meinem Pass wäre ja bestätigt gewesen, dass ich mich hier nicht wegbewegt habe.
Der wertvolle Zettel in unserer Hand sollte nun dazu dienen, jeweils die mexikanische und die deutsche Geburtsurkunde zu beantragen. Wir entschieden uns es zuerst mit der deutschen zu versuchen, da wir wussten dass man für die mexikanische persönlich erscheinen muss und das wollten wir jetzt nicht gleich als erstes mit dem Würmchen im Arm machen.
In unserer Vorstellung war die Theorie klar, Geburtsbestätigung per Email mit ein paar erklärenden Worten an das für uns zuständige Standesamt senden und abwarten. Also wurde die Geburtsbestätigung fotografiert und Richtung Deutschland übermittelt. Die Antwort kam bald und stellte uns vor ein Rätsel. Die Dame schrieb, dass alle Unterlagen im Original vorliegen müssen, inklusive unserer Personalausweise. Außerdem muss die Bestätigung zertifiziert übersetzt werden. Der Postweg zwischen Mexiko und Deutschland ist äußerst unzuverlässig und mit Sicherheit schicken wir nicht unser einziges Original der Geburtsbestätigung oder unsere Persos irgendwohin. Die Lösung: im deutschen Konsulat können wir unsere Personalien bestätigen lassen. Und freundlicherweise können wir auch dort eine sogenannte Nachbeurkundung beantragen. Jetzt erzählt uns aber die Mitarbeiterin auf Anfrage ebenfalls, dass alle Unterlagen im Original vorliegen müssen. Da hatten wir das gleiche Problem nur umgekehrt, denn hier haben wir unsere eigenen Geburtsurkunden und Eheurkunde nicht im Original dabei.
Nach einigem hin und her einigten wir uns darauf ins Konsulat nach Cancún zu fahren und alles was wir hatten im Original und den Rest als Kopie mitzubringen. Mit unserem drei Wochen alten Baby machten wir somit unseren ersten Ausflug in die nächste Stadt, glücklicherweise fuhr uns eine Freundin mit dem Auto hin. Das deutsche Konsulat befindet sich in einem Gemeinschaftsbüro und ist von außen am Gebäude nicht zu erkennen. Durch verschiedene glückliche Fügungen gelang es uns eine Minute vor dem Termin dort anzutreten. Alle unsere Dokumente wurden kopiert, wir machten ein paar Unterschriften und in der Zeit nahmen die Kinder das Büro auseinander. Uns wurde versichert, dass die Papiere per Kurier an unser Standesamt gesendet würden. Unser Vertrauen in den Postweg ist nicht sehr hoch, aber ein wenig Hoffnung bestand, dass es mit einem Kurierservice klappen könnte. An der Stelle konnten wir also nur noch abwarten.
Eine Woche später machten wir uns dann auf den Weg zur Registro Civil in Puerto Morelos, um auch hier unser Baby offiziell zu einem Menschen zu machen. Die freundlichen Damen dort machten uns wenig Probleme, die Geburtsbestätigung wurde akzeptiert und das Formular was wir ausfüllen mussten mit Rotstift korrigiert, und dann durften wir es nochmal richtig ausfüllen. Am nächsten Tag schon konnten wir die Geburtsurkunde abholen. Bei dem Termin mussten wir noch verschiedene Unterschriften tätigen, einerseits mit dem Namen aber auch mit dem Abdruck des Daumens. Witzigerweise musste auch unser Baby sowohl mit dem Daumen als auch dem Fuß unterschreiben. Davon wurden dann auch Beweisfotos gemacht und wir durften wieder gehen.
Die deutsche Geburtsurkunde sollte zu unserer Meldeadresse in Deutschland geschickt werden, aber irgendwie tat sich da wochenlang nichts. Als die Unruhe darüber zu groß wurde riefen wir im Konsulat an um zu fragen ob die Dokumente überhaupt losgeschickt wurden. Ja, das wären sie, allerdings erst nach Mexiko City zur deutschen Botschaft. Hier wurde nochmals alles geprüft und dann nach Wiesbaden geschickt, die haben das dann wiederum nach Eltville weitergeleitet. Das mit dem Kurier hatten wir uns irgendwie anders vorgestellt. Aber am Ende war alles gut und die Geburtsurkunde nach deutschem Recht war ebenfalls da. Jetzt können wir für unseren Sohn sowohl den mexikanischen als auch den deutschen Pass beantragen. Was nicht heißt dass wir das beides tun, aber wir könnten es.
Durch die Geburt unseres mexikanischen Sohnes ist uns der dauerhafte Aufenthalt in Mexiko möglich geworden. Es ist aber nicht so, dass man zur Geburt des Kindes ein Gratulationsschreiben mit angehängter Permanente bekommt, sondern man muss bei der Immigration eine Familienzusammenführung beantragen.
Hier muss die Tatsache bewiesen werden, dass unser Kind hier geboren wurde und der Rest der Familie eben zu ihm gehört.
Mit unserer Immigrationshelferin war eigentlich alles besprochen und geklärt gewesen, aber aus Gründen die mir nicht ganz klar sind gab es einiges an Verwirrung und sie vergaß uns mitzuteilen, dass wir für unsere Kinder Geburtsurkunden mit Apostille aus Deutschland samt zertifizierter Übersetzung brauchen. Eingefallen ist es ihr wenige Tage vor unserem Termin, eine Beschaffung der Urkunden innerhalb so kurzer Zeit war nicht mehr möglich.
Nach kurzem Schockmoment blieb uns nur noch eine einzige Option, und zwar die Residencia Temporal zu verlängern. Das hätten wir auch ohne das mexikanische Kind machen können und somit war es klein Problem. Unsere einzige andere Option wäre es gewesen das Land zu verlassen, denn plötzlich war unser Visum nur noch drei Wochen gültig, allerdings war das gar nicht möglich, denn das Baby hatte noch keinen Reisepass und den hätten wir so schnell auch nicht bekommen.
Letztendlich sind wir nicht traurig darüber, dass es mit der uneingeschränkten Aufenthaltsgenehmigung erstmal nicht geklappt hat, denn wir wollen nächstes Jahr wieder weiter reisen. Die Familienzusammenführung können wir jederzeit nachholen, sollten wir beschließen tatsächlich dauerhaft in Mexiko wohnen zu wollen.
Den Gedanken schließen wir nicht aus, aber Pläne in diese Richtung gibt es keine.
Zwei Tage vor dem Termin in der Immigration änderten sich dann plötzlich die Regeln und Kinder durften erst ihre Temporal beantragen, wenn die Ausweiskarten der Eltern vorliegen, die man erst einige Wochen nach Beantragung abholen kann. Hätten wir das gewusst (aber das konnte niemand ahnen) wäre für die Apostille aus Deutschland doch genug Zeit gewesen, aber jetzt war es zu spät wir Eltern waren für die Temporale angemeldet.
Der Termin selber war furchtbar. Die Fahrt hin und zurück mit dem Collectivo war kein Problem, aber die Immigrationsbehörde ist ein sehr kinderfeindlicher Ort. Zwei Stunden dort auszuhalten mit schreiendem Baby und unkontrollierbar herumrennenden Kindern in einem Raum mit viel zu vielen Menschen war sehr anstrengend. Ich hatte einen Moment ernsthaft überlegt die beiden Mädchen mit dem Tragetuch an die Metallbank zu binden, das Baby auf meinem Arm hat das aber glücklicherweise verhindert.
Die Aussicht dass wir das Ende des Monats für die Kinder nochmal wiederholen müssen stimmt uns nicht unbedingt froh. Das nächste Mal sind wir aber besser vorbereitet. In dieser Behörde nicht zu sehr aufzufallen ist schon von Vorteil, denn diese Leute können ja darüber bestimmen ob man bleiben darf oder nicht. Und wenn sie wollen werden sie immer irgendwas finden was nicht passt um den Antrag abzulehnen. Und diese Macht bekommt man dort auch zu spüren. Wo auf der Straße der Mexikaner vom Taxi zugunsten des Touristen stehen gelassen wird, ist er in der Immigration ganz klar der Überlegene.
So, das wars erstmal zum Thema Papier.
Viele liebe Grüße,
Eure Mirjam