Türkei Update
Fast vier Wochen sind wir nun in der Türkei. Wenn man hört, dass wir in Antalya sind kommen bei dem einen oder anderen sicherlich typische Bilder in den Kopf von Strand, Altstadt und Tourismus.
Ich muss sagen, dass wir zwar in der gleichnamigen Stadt wohnen, aber von sämtlichen touristischen Orten weit entfernt sind. Somit machen wir zumindest eine authentische Türkeierfahrung, die ja aber (eigentlich wie immer) nicht das Spektrum des Landes abbilden kann, weil wir keine Rundreise machen sondern an einem festen Ort sind.
In unserem Fall sind wir in dem Stadtgebiet Göksü, einem riesigen Neubaugebiet, in dem ein Gebäudekomplex nach dem anderen entsteht. Bei dem Großteil handelt es sich um ummauerte Communities mit einem Pool in der Mitte mit oftmals bis zu vier mehrstöckigen Wohngebäuden. Die Häuser sind in gutem bis nicht ganz so gutem Zustand, einiges wurde anders konzipiert als es in der Realität umgesetzt wurde, z.B. gibt es oft Wächterhäuschen am Tor, die aber unbesetzt sind und als Abstellkammern benutzt werden.
Die Straßen außerhalb der Anlagen sind nicht schön, es liegt sehr viel Müll herum und extrem viele Glasscherben. Auch Spielplätze sind eine eher traurige Angelegenheit, ebenfalls mit Müll und Scherben übersät, wo sich niemand zuständig fühlt aufzuräumen.
Das Gebäude in dem wir nun wohnen, ist mit seinen 8 Jahren eines der älteren und gleichzeitig eines der kleinsten. Es ist eine Anlage mit nur einem Wohnhaus mit 12 Parteien und einem Pool hinter dem Gebäude.
Bei unserer Ankunft haben wir vermutlich einen Kulturschock erlitten, vor dem uns auch die Erfahrungen aus Mexiko nicht vorbereiten konnten. Vielleicht lag es daran, dass wir ja zwischendurch in Spanien und Deutschland den Reverse-Kukturschock erlebt hatten und jetzt im falschen Modus angeflogen kamen.
Der erste Eindruck unseres neuen Zuhauses wollte ja nicht so recht Glücksgefühle in uns auslösen. Die Gegend durch die wir mit dem Auto fuhren ließ ja schon einiges befürchten, und der Anblick des Gebäudes hatte dann alle Bedenken wahr werden lassen. Jetzt im Nachhinein ist mir auch klar, was mich so irritiert hat. Es war nicht unbedingt der Putz der von der Fassade bröckelte, sondern sie vielen Kabel und Drähte die aus der Hauswand herausragten. Mittlerweile habe ich verstanden, dass alle Räume bereits beim Bau vorsorglich Zuleitungen für Klimaanlagen gelegt bekommen hatten. Es sind nur wesentlich weniger Klimaanlagen in der Realität eingebaut worden, daher sieht es etwas seltsam aus, aber das scheint hier an allen Gebäuden der Standard zu sein. Ansich ja eine clevere Sache, anstatt bei jeder neuen Klimaanlage wieder alles aufbohren zu müssen.
In der Wohnung selbst trat dann das letzte Restchen an Ernüchterung ein, das noch der Hoffnug den Vortritt gelassen hatte. In der Küche ein Wasserschaden, der sich bis in das Wohnzimmer fortsetzte und ein Blick aus dem Fenster zeigte einen leeren Pool mit grünem Bodensatz. Dominik machte sich große Gedanken, ob es ein Fehler war herzukommen oder warum wir die falschen Erwartungen hatten. In den ersten 24 Stunden spielten wir immer wieder mit dem Gedanken eine Meldung an Airbnb abzugeben, dass die Wohnung nicht den Bildern und unseren Erwartungen entsprach. Für eine solche Meldung hat man 3 Tage Zeit und bekommt dann das Geld zurück und der Vermieter sieht in dem Fall keinem Cent. Immer wieder haben wir diskutiert, herumüberlegt was die Alternativen wären und haben schließlich beim Vermieter eine Liste eingereicht um zu schauen, ob eventuell etwas passiert um den Zustand zu verbessern.

Letztendlich haben wir uns dafür entschieden hier zu bleiben. Nach einem Tag hatten wir die Wohnung als unsere adoptiert und die Mängel der ersten Stunde erschienen nicht mehr so gravierend. Den Wasserschaden haben wir lokalisiert, die undichte Stelle konnte durch Abdrehen der Zuleitung zur Spülmaschine abgestellt werden. Durch die niedrige Luftfeuchtigkeit der nächsten Tage und permanentem Lüften verschwand zuerst der unangenehme Geruch und dann auch die Feuchtigkeit in der Wand.
Natürlich müsste das auf lange Sicht renoviert werden, aber uns war auch klar, dass es nicht geht während wir hier wohnen, denn vermutlich muss dazu die ganze Küche ausgebaut werden.
Ich bin auch insofern ganz zufrieden mit der Situation, da ich bei der Wand jetzt überhaupt nicht einen Gedanken daran verschwenden muss, ob da ein Punkt von unseren Kindern hingemalt werden könnte oder nicht. Überall in der Wohnung gibt es Stellen, die nicht perfekt sind, das gibt mir die Möglichkeit, entspannt zu bleiben.
Ungefähr 10 Minuten zu Fuß entfernt gibt es ein paar Supermärkte, die den täglichen Bedarf decken, es fehlt uns also diesbezüglich an nichts. Momentan ist es tagsüber noch ziemlich heiß, aber wenn es jetzt stetig kühler wird, wollen wir auch die etwas weitere Umgebung erkunden. Mit dem Bus oder Taxi zu den Touristenorten zu fahren kommt uns momentan nicht in den Sinn, das erscheint alles viel zu aufwändig und anstrengend.
Ich weiß, das klingt nicht sehr erbaulich, und man wird sich die Frage stellen, warum machen die das?
Die Entscheidung nach Antalya beziehungsweise in genau diese Unterkunft zu gehen war eine ganz rationale. Wir brauchten ein Ziel, das uns die Zeit zwischen Deutschland, wo es im September langsam kühler wird, und Ägypten, wo es zu dem Zeitpunkt noch zu heiß war, zu überbrücken. Man hätte natürlich jeden beliebigen Ort auswählen können, so er denn in Europa oder zumindest der Nähe sei um keinem Langstreckenflug machen zu müssen.
Auf Airbnb gibt es in unserem Budget von maximal 900 Euro oftmals keine so atemberaubende Auswahl, und wenn man versucht etwas an einem expliziten Ort zu finden wird man oft enttäuscht.
Das Inserat unserer Wohnung in Antalya war eines der ansprechenderen und ein Argument das die wenige Konkurrenz in den Schatten stellte war, dass wir somit einen Großteil des Fluges nach Ägypten geschafft hätten. Etwas in Spanien hätte uns unglaubliche logistische Umstände bereitet, wie etwa in das Haus in Platja d‘ Aro zurückzukehren. Außerdem hatte die Wohnung gute Bewertungen, das machte es zu einer scheinbar sicheren Sache.
Mittlerweile wissen wir, dass die beste Bewertung vom Co-Host abgegeben wurde, das ist uns vorher nicht aufgefallen. Der Pool wurde auch mit keinem Bild oder Wort erwähnt, was tatsächlich im Vorfeld ein wenig Unsicherheit in uns auslöste.
Es ist immer riskant in ein unbekanntes Land zu fliegen und eine Wohnung zu mieten, die man vorher nicht gesehen hat. Bilder können Tatsachen verschleiern oder total veraltet sein. Oder die Unterkunft existiert gar nicht und dann steht man da. Insofern schätzen wir uns glücklich, dass wir nicht in einem fremden Land dessen Sprache wir nicht sprechen auf der Straße standen ohne Internet oder einem Plan B in der Tasche.
Mit der Wohnung haben wir uns schnell angefreundet, sie ist unser Rückzugsort in einem ansonsten nicht sehr ansehnlichen Gebiet. Man bekommt ein bisschen das Gefühl, da draußen ist einfach nichts, Brachland, Kriegsgebiet, man geht nicht raus und punkt. So ganz stimmt es ja nicht, es wohnen viele Menschen hier, aber es sind definitiv keine Touristen und deutsche Familien darunter. Wir fallen mal wieder sehr deutlich auf und ich glaube niemand in unserem Haus versteht was wir hier überhaupt machen.
Obwohl ich am ersten Tag gedacht hätte, dass wir in einem Geisterhaus gelandet sind, in dem höchstens eine Familie mit zwei Kindern wohnt, wurden wir über die erste Woche dann schnell eines besseren belehrt.
Es wohnen hier hauptsächlich Familien mit Kindern. Tagsüber eher in der Wohnung, kommen sie Abends zum Vorschein. Und als dann eines Tages überraschend der Pool gereinigt und wieder aufgefüllt wurde freuten sich alle Kinder des Hauses gleichermaßen.

Eine Woche nach unserer Ankunft waren plötzlich die Schulferien zuende und es stellte sich heraus, dass wir unmittelbar neben der Schule wohnen. Tagliches Pausenklingeln abwechselnd mit dem Gebetsruf begleiten unseren Tag. Jetzt sind natürlich alle größeren Kinder in der Schule und wenn wir dann lautstark im Garten herumrennen, fällt das schon sehr auf.
Zumal unsere Kinder bisher noch eher frühe Schlafzeiten haben und morgens um 7 Uhr gerne schon mal die Morgenluft schnuppern, sei es auf dem Balkon oder im Garten. Anbetrachts der Tatsache, dass hier die Kinder wahrscheinlich nicht vor Mitternacht ins Bett gehen, sind wohl alle gleichermaßen entsetzt von dem frühen Lärm und froh, wenn wir wieder abreisen. Dafür ertrage ich an einigen Tagen auch den Kinderlärm bis spät in die Nacht vor unserem Schlafzimmerfenster.
Auf lange Sicht müssen wir unsere Gewohnheiten vielleicht den lokalen Gepflogenheiten anpassen, damit das besser harmoniert. Hier habe ich jetzt allerdings nicht das Bedürfnis nach Einbruch der Dunkelheit um die Häuser zu ziehen.
Obwohl wir eigentlich hauptsächlich zu Hause sind, in der Wohnung oder im Garten, geht es uns gut. Ich lebe im Moment und zähle nicht die Tage bis zu unserem Abflug. Wir sind ganz gut darin, das Beste aus der Situation zu machen oder zumindest mit dem, was wir haben, zufrieden zu sein. Es ist ja trotzdem klar, dass es nicht für immer ist, daher mache ich mir persönlich nicht allzu viele Gedanken darum, wie man auf Biegen und Brechen eine Änderung herbeiführen könnte. In der Zwischenzeit genießen wir die Ruhe und Beständigkeit im Tagesablauf.
Das war es jetzt erstmal von uns.
Alles liebe,
eure Mirjam
