Leben auf türkisch
Kulinarisches
Wir sind zwar schon seit drei Jahren auf Reisen, aber bisher habe ich es in keinem der Länder geschafft, einen richtigen Zugang zu der Kultur vor Ort zu finden.
In der Türkei ist das anders. Schon als ich vor acht Jahren mit meiner Schwester für fünf Tage in Istanbul war (damals war ich weder verheiratet, noch hatte ich Kinder), hat mich dieses Land in seinen Bann gezogen. In meinem Leben habe ich niemals Schwarztee getrunken, aber kaum waren wir dort, war es selbstverständlich, dass man türkischen Çay trinkt, mit viel Zucker.
Als ich nun mit meiner Familie in die Türkei kam, war ja eigentlich alles nicht ganz so optimal, wie ich bereits im letzten Beitrag beschrieben habe.
Aber sobald ich die Çay-Kanne auf dem Gasherd stehen sah, wusste ich, dass ich jeden Morgen eine Portion Tee zubereiten und aus den typischen Teegläsern trinken würde. Es gehört einfach dazu.

Unsere Vorstellung, dass wir jeden Tag Fladenbrot beim Bäcker kaufen würden, wollte sich nicht so recht einstellen. Der Supermarkt hatte kein Fladenbrot im Angebot und einen Bäcker haben wir in der Nähe nicht gefunden. Zugegebenermaßen haben wir uns dabei auch keine richtige Mühe gegeben. Kurzerhand suchte ich mir online ein Rezept für türkisches Fladenbrot heraus und somit war das nächste beinahe tägliche Ritual entstanden, es einfach selbst zu backen. Glücklicherweise ist es hier normal Mehl zu 5kg oder gar 10kg im Paket zu kaufen.

Beim ersten Supermarktbesuch konnte ich meinen Augen nicht trauen, als ich sah, dass man Yoghurt in Eimern kaufen kann. Schüchtern griff ich zu dem winzigen 500g Becher, um zu probieren, ob mir diese Sorte überhaupt schmeckt.
Ich fragte dann neugierig bei einer Freundin aus Deutschland, die mit einem türkischen Mann verheiratet ist nach, was man wohl mit 10kg Yoghurt anstellen könnte. Die Antwort, Ayran natürlich!
Okay, Anleitung gegoogelt und 5kg Eimer beim nächsten Einkauf mitgenommen. Und was soll ich sagen, lange hält so ein Eimer nicht! Mittlerweile haben wir einige Leere davon produziert und können wunderbar das Lego und andere Spielsachen darin aufbewahren.
Um nicht komplett ahnungslos zu sein, habe ich vor ein paar Wochen angefangen Türkisch zu lernen. Für eine Unterhaltung reicht es bei weitem noch nicht, aber das eine oder andere Wort verstehe ich bereits und kann so wenigstens mit Händen, Füßen, Ja und Nein zu einem Gespräch Minimales beitragen.
Gleich zu Beginn wurden wir von den Kindern des Hauses sehr neugierig beäugt, allerdings sagten diese nichts zu uns. Die Mutter der Kinder war aber am nächsten Tag vor der Haustür, als wir auch draußen waren und sie sprach mich dann an. Ohne meine paar Worte türkisch wäre ich völlig verloren gewesen, aber so konnte ich in einige ihrer Fragen beantworten.
Am folgenden und zugleich ersten Freitag seit unserer Ankunft klingelte die gleiche Nachbarin an unserer Tür und stand mit einem Tablett mit lauter Schüsseln vor mir. Sie bedeutete mir zwei davon zu nehmen und in ein eigenes Gefäß umzuschütten, damit sie die leeren wieder mitnehmen kann. Wir sahen dann noch, dass sie mit mehreren Tabletts voller Schüsseln zum Tor hinausging, um sie scheinbar in der Nachbarschaft zu verteilen.
Es handelte sich um Aşure, eine heiße, süße Suppe, in der alles Mögliche an Hülsenfrüchten, Nüssen und Trockenobst eingearbeitet war. Ich lernte dann, dass man diese Speise verteilt, wenn etwas besonderes passiert ist. Ein Todesfall, eine Geburt, ein Hauskauf oder eine Hochzeit zum Beispiel. Ich freute mich, dass wir auch mit diesem Geschenk bedacht wurden, und ich etwas typisch türkisches zu essen bekommen hatte, auch wenn mir der Anlass in dem speziellen Fall nicht bekannt war. Meine ganze Familie wollte sich nicht so recht freuen, also hatte ich alles für mich allein.
Religiöses
Nachdem wir am Flughafen von einer Dame abgeholt wurden, die in Minirock und Absatzsandalen aufmarschierte (von meinen Töchtern ehrfurchtsvoll „die Frau mit den grünen Schuhen mit den Stäben“ genannt), dachte ich dass das mit dem Kopftuch hier in der Türkei wohl nicht so genau genommen wird. Klar, auch am Flughafen und in unserem Flieger waren Frauen mit Kopftuch zu sehen, aber von der Anzahl her wie aus Deutschland gewohnt.
Ich lernte dann schnell, dass es in unserer Wohngegend sehr viel üblicher ist, das Kopftuch zu tragen, als von mir zuerst angenommen. Die Nachbarin, mit der ich gesprochen hatte, trug ebenfalls eines. Ich kam mir in meiner kurzen Hose gleich etwas fehl am Platz vor, aber das konnte ich ja jetzt nicht ändern. Später sah ich auch, dass es selbst in unserem Haus ein paar Frauen gibt, die nicht streng religiös scheinen, diese sind dann aber auch sofort in kurzen Sachen unterwegs, keine Kompromisse mit wenigstens bis unters Knie oder Schultern bedeckt. Gut, dann passe ich ja doch irgendwie rein und es wird ja jetzt keiner verlangen, dass ich ein Kopftuch trage.
Wie zu erwarten, und für mich durch den Besuch in Istanbul bereits vertraut, hören wir jeden Tag mehrfach den Gebetsruf von der nächsten Moschee. Sie ist ein paar Straßen entfernt, sodass der Ruf nicht sonderlich laut zu vernehmen ist. Die Kinder nehmen ihn nicht bewusst wahr, er fügt sich in andere Außengeräusche unauffällig ein.
Dominik war erstaunt, dass es sich bei dem Ruf eher um Gesang handelt, das hatte er sich anders vorgestellt.
Wenn man Glück hat, wird man morgens um 5 nicht vom ersten Ruf geweckt, aber mich stört es grundsätzlich nicht, es gehört einfach dazu. Bis jetzt haben wir es noch nicht geschafft uns die Moschee mal aus der Nähe anzusehen, damit wollten wir auf bewölkte Tage warten, die uns jetzt aber bevorstehen.
Ich bin gespannt, welche Entdeckungen wir noch machen werden. In der Zwischenzeit schicke ich euch viele liebe Grüße,
Eure Mirjam
Eine Antwort
Wir denken ganz oft an euch. Schön, dass es euch gut geht und du mit uns etwas eurer Lebensgeschichte teilst.
Wir umarmen euch zurück.