Pool, Katzen und Scherben
Die Sache mit dem Pool
Der erste Anblick des Pools hinter dem Haus, war sehr ernüchternd. Fix und fertig von der Reise, Realitätscheck durch die Umgebung und Wohnung, nahm ich es zur Kenntnis und ordnete es unter der Kategorie „es passt alles zusammen“ ein.
Am nächsten Tag schickte Dominik an den Vermieter eine Liste der Mängel, unter anderem erwähnte er auch, dass der Pool nicht zu benutzen sei. Ich persönlich erwartete jetzt nicht, dass der Vermieter da irgendwas tun könne, es sah für mich so aus, als hätte da schon lange Zeit niemand mehr einen Gedanken verschwendet. Ein leerer Pool, mit einem grünen Bodensatz, scheinbar der status quo. Umso mehr erstaunte uns die Antwort, dass er sich an den Verwalter gewendet habe und der Pool in drei Tagen eröffnet werden sollte! Für mich war es eine klare Sache von leeren Versprechungen und ich unterließ jedes Gefühl von Hoffnung. Ich selbst wollte gar nicht unbedingt schwimmen gehen, aber für die Kinder hätte es mich schon gefreut.
Ich muss sagen, sie haben den Zustand recht ruhig hingenommen und keinen Anfall von „ich will aber“ aufs Parkett gelegt.
Drei Tage lang geschah erwartungsgemäß nichts, aber plötzlich kam ein Mann und fing an, den Boden sauber zu schrubben. Die Zeichen deuteten auf das Unmögliche hin. Zwischenzeitlich hatte ich ein furchtbar schlechtes Gewissen, denn ich wollte eigentlich überhaupt gar nicht, dass man nur wegen uns Tausende Liter Wasser in einen Pool füllte, wenn es doch auch ohne ginge. Meinem schlechten Gewissen zum Trotz wurde am nächsten Tag der gesamte Pool mit neuem Wasser gefüllt und er sah genauso aus, wie man es normalerweise erwartet.
Am nächsten Tag erfolgte die Freigabe und die Kinder schwammen und tobten glücklich im kühlen Wasser. Zur Beruhigung meines Gewissens kamen auch alle Kinder des Hauses begeistert angelaufen und hatten großen Spaß. Wenigstens wurde es so nicht nur für uns eingebildete Ausländer, die sich für was besseres halten, gemacht.

Der Spaß dauerte etwa zwei Wochen, dann zeigte sich die Wirkung der nachlässigen Poolpflege. Wer da genau zuständig war, ließ sich überhaupt nicht erkennen, wahrscheinlich hätten wir selbst das Chlor reinschütten können, wenn wir irgendetwas darüber gewusst hätten. Jedenfalls wurde ab einem gewissen Punkt das Wasser innerhalb von drei Tagen dunkelgrün und man konnte sich lebhaft vorstellen, wie wohl der Ausgangszustand bei unserer Anreise entstanden war. Es war klar, das lässt sich auch mit tonnenweise Chlor nicht mehr retten und wir gaben dann natürlich die Hoffnung wieder auf. Es war auf jeden Fall eine schöne Zeit in den Tagen, in denen der Badespaß unseren Tagesablauf bestimmte. Nach einer Woche rumtümpelei wurde jetzt vor ein paar Tagen das gesamte tausende Liter umfassende Wasser in die Beete des Gartens abgepumpt. Das war es definitiv, der Pool sieht heute exakt so aus wie vor knapp vier Wochen.
Katzen
Da wir eine Wohnung im Erdgeschoss haben, gehört es zur Tagesordnung, dass sich immer wieder verschiedene Katzen der Nachbarschaft an der Balkontür Hoffnung auf Nahrung machen. Die Kinder sind begeistert, Yannik immer zwischen Freude und Entsetzen, je nachdem, wie nah das Tier ihm kommt. Vermutlich gehören die Katzen niemandem, wir sind bis jetzt aber trotzdem hart geblieben und haben kein Futter verteilt.
Vor einer Woche haben die Nachbarskinder von irgendwoher eine Babykatze abgeschleppt, die jetzt auf unserem Gelände lebt. Sie ist tatsächlich noch sehr klein und nicht in der Lage, selbstständig die Mauer zu überwinden. Die Kinder der Nachbarn kümmern sich tatsächlich, sie bekommt zu trinken und immer wieder etwas zu essen, außerdem hat sie ein Häuschen aus einem Karton bekommen.
Stella ist total verliebt und würde am liebsten den ganzen Tag mit der Babykatze spielen. Mit ihren drei Jahren versteht sie noch nicht ganz, was es bedeutet, dass ein Lebewesen kein Spielzeug ist und es tut schon weh zu sehen, wie sie der Katze ihren Willen aufzwingen will. Deshalb muss man auch immer in der Nähe bleiben und Einhalt gebieten, wenn der Übermut zu groß wird. In die Wohnung darf aber selbst die kleine Katze nicht, da bleiben wir sehr klar.

Gartenarbeit
Gerade hatte ich mich voll und ganz mit meiner Situation abgefunden, schließlich hatten wir direkt vor dem Balkon einen Garten, der mit üppigen Büschen und Bäumchen bepflanzt war. Der grüne Anblick aus dem Fenster ließ mich das Brachland der Umgebung vergessen.
Zu meinem Entsetzen fuhr gestern eine Gartenfirma vor und rückte der Pracht mit Motorsägen zu Leibe. Ich war so wütend, wie da rücksichtslos alles kurz und klein gesägt wurde, selbst die Rosenstauden wurden mit der Motorsäge zurückgeschnitten. In meiner Vorstellung macht man sowas mit einer Gartenschere an ausgewählten Stellen, damit das wieder gut nachwächst. Mein Lieblingsbaum, in dem sich auch die Babykatze immer wieder vor zu aufdringlichen Kindern in Sicherheit brachte, wurde komplett gefällt.
Die türkischen Eigentümerfamilien hatten da scheinbar eine ganz andere Haltung. Endlich wird das mal ordentlich gemacht! Wie sieht das denn aus, wenn das hier nach Natur anmutet, das ist ja vollkommen unzivilisiert.
Tatsächlich gibt es zwischen den Anlagen hier im Gebiet immer mal auch alte Einfamilienhäuser, die Gärten haben, in denen Hühner herumlaufen und offensichtlich alles Mögliche in Hülle und Fülle angebaut wird. Aber davon möchte man sich sicherlich distanzieren, wenn man in einer gepflegten Anlage wohnt.
Jetzt ist der Garten auf Linie gebracht und ich habe mich nach dem ersten Schock schon wieder erholt. Ernüchterung hat ja auch was Beruhigendes, man lernt realistische Erwartungen zu stellen oder zumindest mit Enttäuschung umzugehen. In dem Moment habe ich mich sehr geärgert, dass mir der Garten nicht gehört und ich nicht bestimmen kann, was meine Augen täglich erblicken. Aber wie viele Hektar Land bräuchte man, um nicht vom Nachbarn dieses oder jenes vorgesetzt zu bekommen.


Barfußkinder im Scherbenhaufen
Wir leben definitiv nicht in einer Gegend, in der für den Tourismus aufgeräumt wird. Traurig ist, dass es sich die Menschen, die hier leben, nicht selbst schön machen wollen. Aber das kennt man ja aus deutschen Städten auch. Ab der Haustür fühlt sich keiner verantwortlich und es wird ja sowieso alles kaputt gemacht.
Für die Müllentsorgung muss jeder Haushalt seinen Müll zu großen Behältern an bestimmten Stellen an der Straße bringen. Mülltrennung gibt es nicht, daher muss man ja nicht mal nachdenken. Der Lieblingssport beim Müll wegbringen ist es scheinbar mit dem Auto in die Nähe der Tonne zu fahren und aus dem Fenster zu versuchen zu treffen. Das geht halt oft daneben, aber das interessiert niemanden. Am Nachmittag ziehen dann die Kinder durch die Straßen und nehmen den Müll auseinander. Ziel ist es, jede Glasflasche in tausend Scherben zu zerlegen. Sinnvollerweise befinden sich die Tonnen neben dem Spielplatz, daher verteilt sich Müll und Scherben gleichmäßig auf demselben.
Selbstverständlich können weder wir, noch die Kinder hier barfuß herumlaufen. Auf dem Grundstück unseres Hauses geht das schon, aber auf der Straße ist es nicht möglich. Selbst Stella, die in ihrem Leben fast noch nie Schuhe getragen hat, behält ihre tapfer an. Ich finde es sehr schwer dort auf dem Spielplatz entspannt zu bleiben, den Kleinen muss ich überall hintragen und ich habe immer ein wenig Sorge, dass die Mädchen Hinfallen könnten und dann mit den Händen oder Knien in einer Scherbe landen. Daher gehen wir dort auch fast nie hin.

Zu unserem Glück, haben wir heute einen neuen Spielplatz entdeckt, direkt hinter der Grundschule in unserer Nachbarschaft. Dieser Spielplatz ist viel sauberer und fühlt sich für mich auch angenehmer an. Wohl fühle ich mich hier zwar auch nicht, wenn dem einen oder anderen Kind mal der Schuh drückt und es darauf besteht barfuß zu gehen, aber es belastet mich nicht so sehr. Der Scherbenanteil ist sehr viel geringer dort. Langsam wird es auch etwas weniger heiß, dann kann ich eventuell jeden Tag alleine mit den Kindern eine Runde raus, und Dominik kann in Ruhe arbeiten. Vielleicht gewöhnt man sich auch mit der Zeit an die Umgebung und ist in der Lage auch schönere Stellen zu erkennen.

Ich sende viele liebe Grüße an euch alle,
Eure Mirjam