Nach Ägypten
Der letzte Tag in der Türkei war ein regnerischer. Die Stimmung passte zu dem ständigen Packen und Aufräumen und auch die Wohnung wurde wieder schlichter und unpersönlicher.
Am Nachmittag ging ich noch einmal zu der syrischen Nachbarin, um mich zu verabschieden. Sie hatte mir kurz vorher erzählt, dass sie mit dem dritten Kind schwanger sei, und ob sie unseren Staubsauger ausleihen kann. Ich brachte den Sauger zum letzten Mal und dann putzten wir gemeinsam ihre Wohnung. Ich bin froh, dass ich ihr auf diese Weise ein bisschen helfen konnte, sie ist den ganzen Tag mit ihren beiden kleinen Kindern alleine und der Mann erwartet abends eine saubere Wohnung und ein aufwändig gekochtes Essen. Das macht es mir natürlich wieder bewusst, dass ich in einer guten Situation bin. Zwar ist das Leben mit den kleinen Kindern auch bei uns nicht so einfach, aber ich bin nicht alleine und zudem werden an mich keine Ansprüche gestellt, wie beispielsweise die Wohnung aussehen soll.
Der Abschied von der Nachbarin war für mich dann emotionaler, als ich es erwartet hätte, trotz der kulturellen Unterschiede hatten wir auch ein paar Dinge gemeinsam, auch wenn wir uns praktisch nicht unterhalten konnten.
Da unser Flug erst kurz vor Mitternacht ging, haben wir mit dem Vermieter der Wohnung vereinbart, dass wir bis 18 Uhr dort bleiben können. Glücklicherweise wurden wir durch einen Bekannten des Besitzers an den Flughafen gefahren. Mittlerweile war es schon dunkel und es war ja klar, dass der größte Teil der Reise noch vor uns lag, der Tag ja praktisch aber schon gelaufen war.
Am Flughafen in Antalya waren wir dann erwartungsgemäß viel zu früh. Allerdings ist es auch nicht hilfreich ewig in der Wohnung zu bleiben, wenn alles bereits gepackt und einigermaßen ordentlich ist, und die Kinder dann dort durchdrehen. Der Fernseher konnte sie am Abreisetag zwar eine Zeitlang bei Laune halten, aber diese Wirkung lässt dann auch mit der Zeit nach. Am Flughafen konnten sie dann herumlaufen und schreien, wie sie wollten.
Stella schaffte es irgendwie, ihren Stoffhund auf einen Vorsprung über uns zu werfen, sodass die Leute von der Information ein bisschen was zu tun hatten und in einer fragwürdigen Rettungsaktion das Spielzeug wieder herunter holten. So war zumindest auch noch für Unterhaltung gesorgt.

Drei Stunden später wurde dann der Schalter für die Gepäckaufgabe endlich geöffnet, und zu diesem Zeitpunkt traf dann auch Anna mit ihren Kindern am Flughafen ein. Diesmal haben wir ja den gleichen Flug gebucht. Eine weitere Familie war ebenfalls auf dem gleichen Flug, da sie aber nur mit Handgepäck flogen, lernten wir sie erst später am Gate kennen.
Eigentlich reisen wir ja auch nur mit Handgepäck, aber bei der Pegasus-Airline durfte man nicht ein Handgepäckstück plus Personal Item mitnehmen, sodass wir mit vier Sitzplätzen ein Gepäckstück zu viel hatten.
Man sorgt auf jeden Fall für Aufsehen, wenn man mit acht Kindern an der Sicherheitskontrolle auftaucht, oder überhaupt nur auf einer Bank eine Pause macht. Später mit der dritten Familie hatten wir dann insgesamt 12 Kinder. Man ist dann ständig am zählen und versucht den Überblick zu behalten, vor allem die kleineren Kinder verstreuen sich ja gerne in alle vier Himmelsrichtungen gleichzeitig.
Im Flugzeug selbst hatten wir aber familienweise die Plätze gebucht, sodass es nicht zu laut und wuselig wurde. Mittlerweile war es ja auch schon Mitternacht und alle eigentlich Bettreif. Die Stimmung in unserem Eck war auf jeden Fall von Jammern durchsetzt, zum Start hin sind aber glücklicherweise alle eingeschlafen. Yannik, auf meinem Schoß, fand mit dem Fahren auf dem Rollfeld in den Schlaf und schrie dann nochmal auf, als das Flugzeug abhob, aber eher weil jetzt das Wackeln aufhörte, als dass es ihn beunruhigt hätte.
Zwei Stunden später waren wir in Ägypten angekommen. Jetzt musste noch die Einreise geregelt werden. Zuvor hatten wir herausgefunden, dass nur die Erwachsenen für ein 4 Wochen Visum zahlen müssen, sodass wir nach ein paar Diskussionen statt 17 mal 25usd zu zahlen mit nur 5 Stück durch kamen.
Am Flughafenausgang trennten wir uns dann, denn die anderen beiden Familien fuhren noch in der Nacht an unseren Zielort und wir blieben noch für drei Tage in der Nähe des Flughafens. Der Plan war, das Langzeitvisum über 180 Tage direkt hier zu beantragen, und dann nur noch einmal in zwei Wochen zum Abholen die Strecke von 100km zurückzulegen.
Leider ging unser Plan nicht auf. Obwohl wir versucht hatten, alle Informationen zum Visum vorab zu bekommen, war vor Ort dann alles doch ein wenig anders als erwartet.
Am Donnerstag haben wir uns erstmal orientiert und unsere Umgebung erkundet. Wir hatten ein Airbnb in einem Resort gebucht. Ich dachte ja immer, ein Resort ist ein Hotel, aber am Ende bestand dieses aus vielen Eigentumswohnung in einer sehr gepflegten Anlage mit drei Pools und sehr viel Grün in einer ansonsten wüstenartigen Umgebung. Den Pool haben die Kinder genossen, auch wenn das Wasser sehr kalt war und man dann doch auch merkt, dass es auf den Winter zugeht.

Anschließend haben wir den Nachmittag damit verbracht, mit einigem Aufwand Passfotos zu machen, wobei man von Glück sprechen kann, wenn die Kinder überhaupt zu dem Fotografen hinschauen. Im Nachhinein erfuhren wir, dass wir uns das hätten sparen können, die Fotos werden mittlerweile von der Visum-Behörde selbst gemacht. Außerdem ging Dominik einkaufen, aber das war auch eine große Herausforderung für ihn. Er muss sich erstmal daran gewöhnen, dass man hier mit vielen Menschen sprechen muss, um überhaupt an Informationen zu kommen. Oder dass es im Supermarkt keine Preise gibt, und man das Gefühl hat, am Ende kommt immer noch einen Touristenzuschlag oben drauf.
Der Freitag ist in Ägypten wie in der westlichen Welt der Samstag, die Visum-Behörde hat geschlossen, was wir allerdings glücklicherweise vorher schon wussten. Daher haben wir ja vorsorglich drei Nächte in der Nähe gebucht, um dann am Samstag alles abzuwickeln und zu unserem eigentlichen Ort zu fahren. Schon am Freitag hatte Dominik das Gefühl, dass wir irgendwas nicht richtig beachtet haben, generell waren fast alle seine Erkundungs- und Besorgungstouren in der kurzen Zeit meistens nicht von Erfolg gekrönt. Nur mühsam kommt man an die richtigen Informationen, falls überhaupt.
Um das Visum zu beantragen, muss man einen bestimmten Dollarbetrag nehmen, mit diesem zu einer ägyptischen Bank gehen, das Geld in ägyptische Pfund umtauschen und bekommt dann eine Quittung, auf der die Passnummer eingetragen sein muss. Hat man keine Dollars (Euros gehen auch), so kann man diese auf dem Schwarzmarkt kaufen. Dann würde man seine ägyptischen Pfund, die man vorher von Euros hergetauscht hat, wieder für Euros hergeben, um dann bei der Bank wieder ägyptische Pfund zu bekommen. Die Logik dahinter ist unklar, ich kann mir das nur so erklären, dass somit mehr Dollar und Euros in das Land kommen, was viel stabilere Währungen sind. Teilweise wollen die Händler in den normalen Geschäften schon gar keine Pfund mehr annehmen.
Wir hatten gehofft, dass man diesen Beleg erst mitbringen muss, wenn man das Visum abholt, aber als wir dann am Samstag, pünktlich um acht Uhr morgens, da ankamen, wurde uns sehr schnell mitgeteilt, dass es ohne diese Quittung nicht weitergeht. “Five Passports, five receipts“. Dominik hat sogar mit dem Polizeichef gesprochen, vor dem alle Mitarbeiter zusammengezuckt sind, und er war auch sehr deutlich, was die Reihenfolge angeht, und auch die Tatsache, dass Kinder entgegen unseren Informationen etwas kosten sollen.
Somit sind wir tatsächlich am Samstagvormittag unverrichteter Dinge weitergezogen und wurden von einem Fahrer abgeholt, der uns mit dem gesamten Gepäck in den eine Stunde entfernten Ort brachte, wo wir nun für die nächsten sechs Monate bleiben werden. Diese ganze Aktion hatten wir ja eigentlich deshalb so geplant, damit Luna mindestens eine Fahrt erspart bleibt. Jetzt müssen wir nächste Woche noch einmal los.
Aber noch bitterer wäre es gewesen, wenn wir erst zum Zielort gefahren wären und dann bei der ersten Tour zum Visumsantrag gemerkt hätten, dass unsere Informationen nicht stimmen. Tatsächlich bestehen Menschen, die hier schon länger herkommen darauf, dass wir verarscht wurden und das so nicht läuft. Aber was soll man machen, wenn man weder arabisch spricht, noch einen Gesetzestext vorliegen hat, auf den man sich berufen kann, und einem dann die Polizei selbst sagt, dass es anders nicht geht, soll man dann die Polizei rufen, oder wie soll das gehen?
Naja, letztendlich sind wir dann irgendwann angekommen und haben unsere Airbnb-Unterkunft bezogen, in der wir nun erstmal vier Wochen sind, um in Ruhe eine Wohnung auf längere Zeit zu finden.

Das war es erstmal von uns,
Erschöpfte Grüße aus der Wüste,
Eure Mirjam
Eine Antwort
Liebe Mirjam,
wo seid ihr inzwischen? Wie geht es euch?
Viele Grüße aus der alten Heimat von der ehemaligen Kollegin
Melanie